Das LkSG für die Neuausrichtung der Lieferkette nutzen

Man könnte meinen, dass der Gesetzgeber bei der Namensgebung des neuen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) die neu entstehende Komplexität schon direkt mit dem Namen ankündigen wollte. Dennoch ist die Einhaltung des LkSGs keine “Raketen-Wissenschaft” und kann sogar der Start auf dem Weg zu einer resilienten und nachhaltigen Lieferkette sein.

Was ist das LkSG?

 

Der Gesetzgeber schreibt Unternehmen mit dem LkSG vor, umweltbezogene und menschenrechtliche Sorgfaltspflichten in ihrer Lieferkette in angemessener Form zu beachten. Hierbei unterscheiden sich die Anforderungen an die Sorgfalt der Firmen nach den unterschiedlichen Stufen in der Lieferkette: der eigene Geschäftsbereich, die unmittelbaren Zulieferer und die mittelbaren Zulieferer.

Besonders bezüglich des eigenen Geschäftsbereichs und der unmittelbaren Zulieferer gilt es, mögliche Risiken zu analysieren und zu managen. Managen heißt hier, bei der Erkennung einer Gefährdung für Umwelt oder Menschenrechte im eigenen Geschäftsbereich unverzüglich Abhilfemaßnahmen einzuleiten. Bei unmittelbaren Zulieferern hingegen muss, falls eine solche Gefährdung der Umwelt oder Verletzung von Menschenrechten in absehbarer Zeit nicht beendet werden kann, ein Plan zur Minimierung erstellt werden.

Neben diesem Risikomanagement gehen mit dem LkSG noch weitere Pflichten wie

  • das Verfassen einer Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte,
  • die Einrichtung eines Beschwerdemechanismus
  • sowie Dokumentations- und Berichtspflichten

einher.

Für wen und ab wann gilt das LkSG?

 

Das neue Gesetz gilt seit dem

  • 1. Januar 2023 für Unternehmen mit mind. 3.000 Beschäftigten und ab dem
  • 1. Januar 2024 für Unternehmen mit mind. 1.000 Beschäftigten.

Kleine Zulieferer, die selbst nicht vom LkSG betroffen sind, finden sich oft in der Lieferkette von Unternehmen wieder, die sich an das neue Gesetz halten müssen. Die Sorgfaltspflichten des größeren Unternehmens können hier nicht an das kleinere Unternehmen weitergegeben werden. Das betrifft etwa Berichtspflichten gegenüber der Behörde und der Öffentlichkeit. Auch mit Kontrollmaßnahmen oder Sanktionen durch das verantwortliche Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hat ein Zulieferer außerhalb des oben genannten gesetzlichen Anwendungsbereiches nicht zu rechnen. Jedoch ist es möglich, dass direkte Zulieferer von Unternehmen, die von dem Gesetz betroffen sind, durch ihre jeweiligen Vertragsbeziehung zur Einhaltung von Sorgfaltspflichten angehalten werden.

Welche Vorgehensweise empfehlen wir betroffenen Unternehmen?

  1. Analyse des Status Quo

Im ersten Schritt geht es um die Erfassung und Analyse  der erforderlichen Informationen über die Lieferanten. Zur Schaffung von Transparenz spielt hier der Einkauf die größte Rolle. Dieser hilft beim Zusammentragen der relevanten verfügbaren internen Informationen wie etwa Lieferantenbewertungen/ -performance, Art der Produkte, oder Produktions- bzw. Leistungserbringungsstätte des Lieferanten. Zudem können auch externe Daten zugezogen werden, zum Beispiel direkte Lieferanteninterviews, Ratings von Dritten der jeweiligen Unternehmen oder Länderrisikoanalysen.

  1. Identifikation von Risiken

Basierend auf den erhobenen Daten wird schließlich eine Risikoanalyse durchgeführt. Es gilt Hotspots auf Warengruppen- und Lieferantenebene in der Lieferkette zu identifizieren und Lieferanten nach Risikoart (Menschenrechte, Umwelt etc.) und -wahrscheinlichkeit zu segmentieren sowie zu priorisieren.

  1. Maßnahmen bezüglich Risiken

Im dritten Schritt werden individuelle Ziele und Konzepte bzw. Maßnahmen entwickelt.

Beispiele für Maßnahmen sind die Einführung eines Prozesses für dauerhafte Risikoüberwachung, verpflichtende Reportings, gemeinsame Initiativen mit Lieferanten, Trainings oder Beschwerdestellen und Beschwerdeprozesse. Die beiden zuletzt genannten sind  verpflichtend einzuführen.

Wer sich an diese Schritte hält und auch die obigen Pflichten einhält, erfüllt schon die Anforderungen des LkSGs. Die Berichtspflicht an sich ist übrigens auch eher schnell erfüllt, da lediglich ein vom Gesetzgeber vorgegebener Fragebogen auszufüllen ist.

Wie geht es dann weiter?

An diesem Punkt könnte man das Thema abschließen, doch es empfiehlt sich, die Thematik der Risiken in der Lieferkette noch etwas weiter zu denken. Gerade im Angesicht der heutigen geopolitischen Instabilität und anderen globalen Herausforderungen hat sich gezeigt, dass in der Vergangenheit zu wenig Wert auf resiliente und robuste Lieferketten gesetzt wurde.

Im Zuge einer UN-Global Compact Studie die in Zusammenarbeit mit Accenture  entstand, wurden 2.600 CEOs aus 128 Ländern zu Themen der Nachhaltigkeit befragt. Aus den Befragungen stellte sich klar heraus, dass als Reaktion auf vergangene Entwicklungen besonders in Bezug auf den Klimawandel und seinen Folgen ein Umdenken im Umgang mit Lieferketten stattfindet. Ein großer Teil der befragten CEOs gibt an, dass heutzutage Störungen in den Lieferketten mit die größte Herausforderung darstellen. Der Vorsitzende und CEO des US-amerikanischen Telekommunikationsunternehmens Cisco Systems, Inc. sagt im Interview in Bezug auf seine globalen Lieferketten: „Während Effizienz einst die Priorität war, stehen nun Resilienz und Dauerhaltbarkeit an erster Stelle“.

Doch wie gehen die CEOs den Wandel zu mehr Robustheit an? Wie die veröffentlichte Studie zeigt, sind erstens die Pflichten, welche vom LkSG implementiert werden ein erster Schritt in genau diese Richtung. Zweitens sind, um es in den Worten des CEOs des spanischen Netzbetreibers Enagás Arturo Gonzalo Aizpiri zu fassen, „die Sicherheit der Lieferkette und die Dekarbonisierung zwei Seiten derselben Münze“.

 

Grundlagen für eine robuste Lieferkette

 

Supply Chain Visibilty, Datenerhebung und Datenqualität

Laut der Studie investieren über die Hälfte der befragten CEOs in Maßnahmen zur Steigerung der Kapazitäten für Datenerhebungen, die die Nachhaltigkeitsaspekte und den sozialen Impact ihrer Lieferketten sichtbarer machen. Bei dieser Verbesserung der Supply Chain Visibility, die Hand in Hand mit fortschreitender Digitalisierung einhergeht, lernen die Unternehmen ihr Lieferantennetzwerk besser zu verstehen und schaffen das erforderliche Datenmanagement für datenbasierte und impact-orientierte Entscheidungen. Hierbei hilft die Visibility nicht nur bei Entscheidungen zu kurzfristigen Problemen und Gefährdungen in der Lieferkette. Sie ist auch unerlässlich, um fundierte langfristige Entscheidungen treffen zu können. Auch der Präsident der Central Trading Company, Ahmed Abdellatif, meint im Interview: „Wir brauchen bessere Werkzeuge und Analysen. Wir brauchen Modelle, welche langfristig deinen potenziellen Impact zeigen und wie du dich auf diesen zubewegst. Dies wird helfen, mehr Nachhaltigkeit zu schaffen und die Resilienz stärken.“ 

 

Planen für unterschiedliche Szenarien

 

 

Ein großer Teil der Planung des langfristigen Impacts ist die Szenarioplanung. Wie bereits erwähnt, beffinden sich die CEOs und ihre Unternehmen in einer zunehmend dynamischen und geopolitisch instabilen Welt. Folgen des Klimawandels, politische Veränderungen und neue Regularien erschweren die Planung und Prognosen für die Zukunft. Aus diesem Grund investieren laut der Umfrage 57% der CEOs von KMUs und 69% von großen Unternehmen in Planungs- und Analysefähigkeiten, um datenbasiertes Planen für unterschiedliche Szenarien zuverlässiger zu machen. Unter anderem spielt hier auch künstliche Intelligenz eine zunehmend wichtige Rolle, besonders in der Hightech- und der Finanzbranche.

 

Engere Zusammenarbeit mit Lieferanten

 

Um mehr Supply Chain Visibility und Szenario Planung überhaupt möglich zu machen, müssen Unternehmen immer enger mit ihrer Lieferbasis zusammenarbeiten. Dies hat den positiven Nebeneffekt, dass schneller auf aufkommende Veränderungen und Anforderungen reagiert werden kann. Jedoch hat sich nicht nur die Art der Kooperation gewandelt, sondern auch insgesamt die Rolle der Lieferanten. Immer mehr CEOs kommen zu der Erkenntnis, dass ein sehr großer Teil ihres CO2-Fußabdrucks in der Lieferkette liegt. Dies hat zur Folge das die untersuchten Unternehmen einerseits für vorhandene Zulieferer vermehrt auf ESG-Anreizwirkungen setzten und zudem bei der Auswahl neuer Lieferanten Nachhaltigkeit eines der wichtigsten Kriterien geworden ist. Der CEO des Kaizen Institute, António Costa, bestätigt diese Beobachtung: „Wenn man versucht, einen neuen Partner oder Lieferanten zu finden, drehen sich die ersten Gedanken nicht mehr nur um die Kosten. Wir müssen berücksichtigen welche Nachhaltigkeitsimplikationen es hat, mit wem wir in der Zukunft zusammenarbeiten“. Wichtig für die erfolgreiche Umsetzung von ESG-Zielen für die gesamte Lieferkette ist, dass große Unternehmen den vielen darin eingespannten KMUs beratend helfen. Diese haben oft weder das Wissen noch die Kapazitäten eigene oder auferlegte Nachhaltigkeitsanforderungen zu erreichen. Leitfäden oder Hilfestellungen der großen Unternehmen können hier viel bewirken.

 

Umstrukturierung hin zu mehr Lokalität und Diversifizierung

 

Im Hinblick auf die Entwicklungen der letzten Jahre hat sich eine große Korrelation zwischen Diversifikation und Resilienz gezeigt. Mehrere Lieferanten und Hersteller machen die Unternehmen unabhängiger von den einzelnen Akteuren in der Lieferkette und ermöglichen es, flexibel auf Veränderungen zu reagieren. Diese Diversifizierung war eine der gängigsten Maßnahmen in den Supply-Chain-Resilience-Strategien der untersuchten Unternehmen im letzten Jahr.

Ein zusätzlicher Trend in diesen Strategien war für 21% der CEOs, die Lieferkette lokaler auszurichten. Dadurch lassen sich die Beeinträchtigungen durch externe Effekte, insbesondere Transportprobleme, minimieren. Auch hier zeigt sich wieder, wie Resilienz und Nachhaltigkeit zusammengehören, denn die verkürzten Transportwege reduzieren den CO2-Fußabdruck der Unternehmen signifikant. Dieselbe Erkenntnis wird auch im Umgang mit den genutzten Ressourcen deutlich.

 

Kreislaufwirtschaft und erneuerbare Energie

 

Die United Nations Industrial Development Organization (UNIDO) schätzt, dass mit Geschäftsmodellen, die auf einer Kreislaufwirtschaft basieren, bis 2025 $1 Billion an Materialkosten eingespart werden können. Neben Kosten und Abfall wird hier auch die Abhängigkeit von begrenzten Ressourcen reduziert und damit die Resilienz erhöht. Kein Wunder also, dass laut der Studie 49% der CEOs den Wandel zur Kreislaufwirtschaft anstreben. Besondere Aufmerksamkeit liegt zusätzlich auf den erneuerbaren Energien, da hier mit besonders großem Hebel Abhängigkeiten, Umweltschäden und CO2-Emissionen reduziert werden können.

 

Fazit

 

Mit dem LkSG sind viele Unternehmen verpflichtet, sich denen durch ihre Lieferkette entstehenden Risiken für Gesellschaft und Umwelt anzunehmen. Dabei und besonders, wenn man bei diesem Vorgang über die verpflichtenden Maßnahmen hinausgeht, hat man die Möglichkeit die eigene Lieferkette und damit das ganze Unternehmen resilienter und nachhaltiger auszurichten. Die für diese beiden Ziele erforderlichen Maßnahmen sind oft deckungsgleich und finanziell profitabel für das Unternehmen.